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25 Juni 2020, Deutschland | Investment Management | Neuigkeiten

Interview im Immobilienbrief: Quartier als Alternative zur De-Metropolisierung

Das Interview führte Werner Rohmert

Catella Project Management ist auf die Entwicklung von Immobilien, insbesondere in sogenannten Quartieren in der Mischung von Wohnung und Gewerbe spezialisiert. Zu den laufenden und fertig gestellten Projekten gehören Living Circle und Grand Central in Düsseldorf, Seestadt mg+ in Mönchengladbach, sowie die Düssel-Terrassen. Die Investments von Catella Project Management umfassen u.a. die Schaffung preisgedämpften Wohnraums sowie die innovative Umsetzung von ESG-Konzepten. Die schwedische Catella Gruppe gehört zu den führenden Spezialisten im Bereich Immobilieninvestment sowie Fondsmanagement und agiert in 15 europäischen Ländern. Der Konzern verwaltet Vermögenswerte von rund 17 Mrd. Euro.

Der Immobilienbrief: Herr Franken, wir sprachen vor kurzem darüber, dass die Corona-Pandemie auch ein Treiber für Quartiersentwicklungen sei. Wo besteht da ein Zusammenhang? Und vor allem, was ist ein Quartier? 

Klaus Franken: Quartiere beleben nach vielen Jahren der Monokultur den originären urbanen Gedanken mit der räumlichen Nähe von Arbeit, Wohnen, Freizeit und Bildung neu. Mit zunehmender Bedeutung des Nachhaltigkeitsgedanken gerieten Quartiersentwicklungen zunehmend in das Bewusstsein der Stadtentwicklung bzw. des Stadtumbaus. Voraussetzung für die Quartiersentwicklung sind verfügbare große Grundstücke. Eine neue Bebauung frei gewordener Bahnflächen oder industrieller Grundstücke hat zwar auch in den vergangenen Dekaden stattgefunden, jedoch stand hier oft eine monostrukturelle Nutzung zum Beispiel von Büro oder Wohnen im Vordergrund.

Corona erweist sich auch bei der Entwicklung von Quartieren als Treiber. Covid-19 hat in der Tat die Kehrseite der globalisierten Welt aufgezeigt.  Fernreisen, Lieferketten, aber auch die der persönliche Mobilität waren plötzlich eingeschränkt und die Abhängigkeit unseres Alltags von der weltweiten Vernetzung wurde deutlich. Die Funktionstrennung von Arbeiten, Wohnen, Einkaufen, Kultur und Erholung führt zu großen Bewegungen in und um die Städte. Die Pendlerströme werden immer größer. Der Pendelverkehr wird immer zeitraubender und benötigt existenziell den Massenverkehr, dessen Schwächen in der Pandemie deutlich wurden. 

Das urbane Quartier dagegen ist eine Stadt der kurzen Wege, in der die wichtigsten Lebensfunktionen fußläufig abgewickelt werden können. Dies entspricht der Maßstäblichkeit des menschlichen Seins. Catella hat sich zur Aufgabe gemacht, Quartiere zu entwickeln, die gerade dies ermöglichen. Stadtentwicklung muss der geordneten Verdichtung Vorrang vor flächenhafte Ausbreitung bieten und gemischte Nutzungen einer Funktionstrennung vorziehen. Das ermöglicht die Nutzung alternativer und kleinräumlicher Mobilitätsangebote statt überfüllter S-Bahnen aus dem weiteren Umland.

Leider ist der Neubau überwiegend immer noch von Einzelinteressen getrieben, die sich nur einer Nutzungsart zuwenden. Dagegen richtet sich ein erheblicher Teil der Nachfrage nach Quartieren, die das „Leben im Kleinen“ abbilden. Quartiere werden sicherlich nicht allein die moderne Stadt ausmachen, aber die Nachfrageschwerpunkte der Zukunft bedienen.

Nachfrage ist ein wichtiges Stichwort. Was ändert sich z.B. durch eine steigende Homeoffice-Nutzung, die durch Corona eine neue Dimension erhalten hat. Für viele Menschen und für eine Reihe von Arbeitsbereichen bleibt sicherlich das Präsenzbüro ein langfristig wichtiger Lebensmittelpunkt. Jedoch bietet das Homeoffice eine zusätzliche Möglichkeit bei entsprechender technischer und räumlicher Ausstattung hoch effizient und ohne Rüstzeiten konzentriert zu arbeiten. Coworking in Wohnungsnähe bietet eine Alternative bei kompakten Wohnverhältnissen. Hier bieten gemischt genutzte Quartiere Flexibilität und genießen hohe Akzeptanz.

Der Immobilienbrief: Sie betreiben mit dem Projekt „Seestern mg+“ eine Quartiersentwicklung in Mönchengladbach, wo insgesamt 750 Mio. Euro zu investieren sind. Das ist sicherlich mutig. Wie hat sich Corona auf die Projektentwicklung ausgewirkt?

Klaus Franken: Natürlich bringt Corona eine konjunkturelle Verwerfung, dessen Konsequenzen in der Summe noch nicht absehbar sind. Dies kann kurzfristig durch Einkommenseffekte auch die Wohnungsnachfrage treffen. Bislang sind aber messbare Effekte im Wohnungsbereich kaum aufgetreten. Bereits bei mittelfristiger Betrachtung überwiegen jedoch die positiven Effekte auf Wohnimmobilien. Da die Digitalisierung die räumliche Nähe technologisch obsolet macht. Das passt da durchaus in ihre Überlegungen Herr Rohmert, die sie selber ja schon vor deutlich über 20 Jahren äußerten: „Das Home-Office wird zukünftig absolute Selbstverständlichkeit einer jeden Angestellten-Wohnung sein.“ Das führt zu einem höheren Wohnflächenbedarf. Gleichzeitig verschiebt sich die Arbeitskräftenachfrage immer mehr Richtung hochwertig ausgebildete, also auch besser bezahlte Mitarbeiter. Insofern sehen wir unter Nachfrageaspekten tendenziell eher positive Auswirkungen der Pandemie. Und bedenken Sie die nach wie vor hohen Pendlerbewegungen in die Metropolen. Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel macht deutlich, dass von den fast 300.000 Pendlern, die täglich nach Düsseldorf einreisen, sicherlich die Hälfte gerne in Düsseldorf wohnen würde, wenn es passende Wohnungen gäbe.

Der Immobilienbrief: Machen die immer weiter steigenden Baukosten und Auslastungskennziffern nicht viele Pläne illusorisch?

Klaus Franken: Im Wohnungsbereich und insbesondere im Bürobereich verschwinden derzeit auch viele Projekte wieder in den Schubladen. Projektentwicklungen erfordern mehr Eigenkapitaleinsatz, was nicht jeder Entwickler leisten kann. Schon jetzt ist dieser Effekt bei der Nachfrage nach Bauleistungen, die deutlich eingebrochen ist, erkennbar. Die Auslastung der Bauindustrie sinkt. Nachunternehmen sind besser verfügbar. Das hat in der Summe spürbare Preiswirkungen.

Der Immobilienbrief: Welche Immobiliensegmente werden die Gewinner und Verlierer der Pandemie sein?

Klaus Franken: Wohnen wird, wie auch schon aus der Finanzkrise, als Gewinner hervorgehen. Hier spielen gesellschaftliche Trends, Digitalisierung und Zinssituation eine treibende Rolle. Logistik wird vom steigenden E-Commerce profitieren. Büros werden sicherlich eine nachhaltige Immobilien-Assetklasse bleiben. Daran werden auch kurzfristige Marktverwerfungen nichts ändern. Zudem werden „pandemiesichere Büros“ mehr Platz pro Mitarbeiter benötigen, wodurch etwaige Digitalisierungsersparnisse zu großen Teilen ausgeglichen werden. Auf der anderen Seite der Medaille sind vor allem Einzelhandel und Hotels als Verlierer der Pandemie im Gespräch. Hier werden einige Investoren vorsichtig werden. Bei Einzelhandel werden sich die E-Commerce-Effekte durch Corona beschleunigt fortsetzen. Bei Hotels bin ich weniger skeptisch, sofern der Standort sowohl Business- als auch Privatkunden anspricht.

Der Immobilienbrief: In der Vergangenheit haben sich Krisen immer für einige Jahre auf die Finanzierungsmöglichkeit von Projekten ausgewirkt. Wie ändern sich derzeit die Finanzierungsfazilitäten?

Klaus Franken: Sicherlich wird es in einigen Bereichen zu einer spürbaren Verengung kommen. Corona hat aber noch einmal endgültig bestätigt, wie ich übrigens schon im Frühjahr letzten Jahres verdeutlichte, dass das aktuelle Zinsumfeld mit Negativzinsen keine vorübergehende Erscheinung ist, sondern bleiben wird. Damit erhöht sich der internationale und institutionelle Anlagedruck. Dieses Geld wird verstärkt in Wohnungsinvestitionen fließen, die sich damit zu einer neuen institutionellen Assetklasse heranbilden. Sicherheit geht insbesondere bei großen Investoren zunehmend vor Renditeoptimierung. Die ESG-Kriterien spielen eine zunehmende Rolle. Mit unserem schwedischen Hintergrund verfügen wir über Investoren, die unter vorübergehendem Renditeverzicht bereit sind, in vermietungssicheren, preisgedämpften Wohnraum zu investieren.

Gleichzeitig wird die Vermögensbildung durch Wohneigentum der privaten Haushalte immer größere Bedeutung gewinnen. Dies ist auch ein möglicher Exit für institutionelle Startinvestitionen. Angesichts des niedrigen Zinsumfeldes gewinnt die Eigentums- vor der Mietwohnung und beinhaltet zudem den Aspekt der privaten Alterssicherung.

Banken sind aktuell noch recht zurückhaltend, aber das Finanzierungsumfeld hat sich deutlich geändert und neue Finanzpartner bieten Alternativen. Heute ist eine Finanzierung auch größerer Projekte auch ohne Bankfinanzierung möglich. Allerdings sollte man das nötige Eigenkapital zur Hand haben.

Der Immobilienbrief: Was unterscheidet die aktuelle Krise von der Finanzkrise 2009?

Klaus Franken: Die Coronakrise-Mietausfälle im Wohnungsbereich sind recht marginal. Anders als 2009 besteht heute in weiten Teilen der Republik ein Wohnungsengpass. Heute sind Mieter froh, eine Wohnung zu haben und tun alles, um diese zu halten. Eingeschränktes Reisen, vermindertes öffentliches Leben und Homeoffice führen zu den bekannten Effekten, es sich zu Hause schön zu machen, weshalb so mancher den Wunsch nach einer neuen Wohnung hegt. Nach der Finanzkrise haben Investoren die Wohnimmobilie neu entdeckt, weil die damit verbundene Sicherheit schlicht alternativlos ist.

Der Immobilienbrief: Was sind die Erfolgsfaktoren?

Klaus Franken: Schauen wir auf die Nutzer, die letztlich die Zeche bezahlen müssen. Deshalb sind hochpreisige Luxusprodukte anfälliger als z.B. bezahlbarer Wohnungsbau für den Mittelstand. Catella setzt auf preisgedämpften Wohnraum, der für die Mitte der Bevölkerung bezahlbar bleibt. Eine Entwicklung, die Normalverdiener aus den Städten herausdrängt, wäre fatal. Catella-Wohnungen bleiben bezahlbar.

Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte werden zunehmend und langfristig wichtiger. Bei der Erreichung der Klimaziele sieht sich Catella z. B. in der Entwicklung Seestadt mg+ als Vorreiter.  Die Wärmegewinnung erfolgt komplett CO2-frei. Mobilität wird neu definiert und mit speziellen Angeboten nutzerfreundlich gestaltet. Autos verschwinden im Parkhaus oder unter der Erde in den Tiefgaragen. Der Freiraum wird aktiv genutzt und als Lebensraum erlebt. Ein erstes Teil-Projekt mit fast 250 Wohneinheiten soll kurzfristig gestartet werden; davon sind 90 Einheiten als geförderte Wohnungen vorgesehen. Die Stärkung des Lebensraumes, der Attraktivität der Wohn- und Lebensverhältnisse für alle Altersgruppen und die Förderung der sozialen Strukturen in Verbindung mit verbesserten Umweltbedingungen durch Bearbeitung der Themen Freiraum, Klima und Mobilität schaffen Investitionssicherheit und einen wesentlichen Fortschritt im Ballungsraum Rhein.

Im Fazit sind die Faktoren zu nennen unabdingbarer Bedarf, erhöhte Flächennachfrage pro Kopf, positive demographischen Entwicklung, der sichere Hafen Deutschland und die anhaltend geringen Zinsen. Seit einer Reihe von Jahren wird weniger gebaut als benötigt. Deutschlands Rolle als „best in class“ wird durch die Pandemie-Bewältigung gefestigt und zieht noch mehr internationales Kapital an.  Private Investoren greifen gerne im näheren Umfeld zu. Corona bietet einen Turboeffekt speziell für Wohninvestments und erst recht in die Mixed-Use-Quartiersentwicklungen.

Gesucht werden sichere Core-Produkte. Und, seien wir ehrlich, die einzige wirkliche langfristig und technologisch sichere Core-Immobilie ist die vermietungssichere Wohnimmobilie in guter Lage und in einem urbanen Quartier der kurzen Wege.

Der Immobilienbrief: Herr Franken, vielen Dank. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.